Titelillustration zu Clemens Brentanos "Märchen von den Märchen"
Beschreibung
Unter einem Baldachin mit orientalisch anmutenden Zwiebeldach thront Rußika aus Clemens Brentanos "Märchen von den Märchen" oder "Liebseelchen". Rußika war durch Betrug zur Ehe mit dem Prinzen Röhropp gelangt, der zu ihrer Rechten steht; in ihrem Schoß liegt das unter Windeln versteckte Prinzchen, auf ihrem Arm trägt sie die goldspinnende Puppe. Um sie herum der Kreis der zum Geschichten erzählen auserwählten Frauen mit ihren Spinnrocken. Die Fragment gebliebene Geschichte, deren Schlussszene hier ins Bild gesetzt wurde, sollte die Rahmenerzählung einer von Brentano ab 1810 geplanten Märchensammlung bilden. Wie sein Vorbild, Giovanni Battista Basiles Pentamerone, hat auch Brentanos Märchen das Geschichtenerzählen selbst zum Thema. Entsprechend verdichtet Schinkel seinen Illustrationsentwurf zum Inbegriff einer farbenprächtigen Märchenillustration, wobei er Elemente der mittelalterlichen Buchmalerei mit orientalischen Einflüssen, Sakrales mit Profanem vermischt und reich mit schmückenden Details versieht. Dabei folgt er zum Teil getreu der Textvorlage Brentanos: „zur Linken saß der schöne Papagei auf einer Stange, zu ihren [Rußikas] Füßen in einem silbernen Hühnerkorb aber die Goldglucke mit den zwölf Küchlein, … ; und damit die Gesellschaft recht vollkommen sei, hatten sich ein Klapperstorch, ein Gockelhahn und ein Pfau oben auf den Baldachin gesetzt; auch viele Vögel, Katzen, Kaninchen und Hündchen fanden sich ein, … .“ Andere Elemente, wie die Kinder, die im Vordergrund der Darstellung lauschen und spielen, fügte er frei hinzu. Sie tragen die Züge von Schinkels eigenen Kindern Marie, Susanne und Karl Raffael und auch sich selbst und seine Frau führte Schinkel als Prinz und Spinnerin in die Darstellung ein. Schinkel und Brentano verband eine Künstlerfreundschaft, wie sie typisch für das Zeitalter der Romantik war. Neben dem Gemälde Schloss am Strom, das 1820 aus dem Wettstreit der beiden Künstler hervorgegangen war, ist das hier gezeigte Blatt wohl bleibendster Ausdruck für diese Freundschaft, auch wenn es als Illustration nie Verwendung fand. NSt