Goethe in der Campagna
Beschreibung
Tischbein begann die Arbeit an dem originalen Bildnis im Dezember 1786 in Rom, kurz nachdem Goethe zu ihm an den Corso gezogen war. [...] Tischbein greift zahlreiche ikonographische Anregungen auf, die er für die Inszenierung Goethes als Erneuerer der Klassik aus dem Geist der Antike transformiert. So geht das Lagerungsmotiv in seiner ältesten Form auf die römischen Flussgötter Tiber und Nilus zurück, während die mit antiken Fragmenten angereicherte Landschaft z.B. aus Ruinen-Capricci von Piranesi bekannt ist. Die Lagerung des Dichters auf dem Steinsockel unterstreicht die denkmalartige Wirkung ebenso wie der geschickt drapierte Reisemantel in der Farbe des hellen Marmors, der an antike Gewandfiguren erinnert. Darunter kommt Goethes gewohnte Tracht zum Vorschein: ziegelroter Rock, weiße Halsbinde, gelbe Kniehosen, weiße Strümpfe und schwarze, gleich geschnittene Schuhe. Vor der dunklen Folie eines breitkrempigen Hutes, wie ihn Italienreisende zu jener Zeit gerne trugen, hebt sich der Kopf mit den markanten Zügen im Halbprofil ab [...]. Die transitorische Auffassung des Porträts zwischen lebensnaher Erscheinung und denkmalhafter Würde spiegelt auch die Landschaft wider, die Zeugnisse der antiken Kunst und Architektur adeln. Im Hintergrund sieht man vor der Kette der Albaner Berge den Rundbau des Grabmals der Cäcilia Metella sowie die Reste des großen, von Goethe bewunderten Aquädukts. Im Vordergrund entwickelt der Maler eine Trias von Motiven, die - analog zu Winckelmanns und Goethes Kunstverständnis - die Gesamtheit der antiken Kultur in ihrem zyklischen Werden und Vergehen zitiert. Die Fragmente des Obelisken, auf denen Goethe ruht, erinnern an den Ursprung der Kunst im alten Ägypten. Am rechten Bildrand weist ein Kompositkapitell auf die römische Kaiserzeit und damit schon auf den Verfall der Antike hin. Das prominenteste Motiv stellt ein marmornes Basisrelief dar, mit dem die klassische griechische Kunst imaginiert wird. Das Basisrelief mit Iphigenie, Orest und Pylades verweist auf Goethes Arbeit an dem Drama "Iphigenie". Bennert kopierte das Original wohl anlässlich des Goethejahres 1849. (Quelle: Maisak/Kölsch: Gemäldekatalog 2011, S. 29f.)