Bildnis dreier Jungen ("Zigeuner Kinder")
Beschreibung
Ludwig Emil Grimm porträtierte in der ihm eigenen, unvoreingenommenen Art wiederholt Angehörige der Sinti und Roma. Bei den drei hier dargestellten Jungen deutet – neben dem Titel der Radierung – vielleicht nur die Pelzjacke des rechten Knaben auf ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe hin. Das realistische Bildnis offenbart Grimms Faszination für vielfältige Gesichter und Charaktere und erinnert an sein zur gleichen Zeit entstandenes Freundschaftsbild, in dem er sich selbst und zwei Freunde in vergleichbarer Staffelung porträtierte (vgl. Inv.-Nr. 1.2.95). Fast dreißig Jahre später blickte Ludwig Emil Grimm nicht mehr mit dieser jugendlichen Offenheit auf seine Umgebung. Seine späteren genrehaften Darstellungen zeigen Sinti und Roma in stereotyper Kleidung, Umgebung und Handlung – wobei er für die Gesichtszüge auf seine frühen, persönlicheren Studien zurückgriff (vgl. beispielsweise "Zigeunerleben", 1840, Bleistiftzeichnung auf Papier (Vorlage für eine spätere Radierung), Frankfurt am Main, Historisches Museum, Inv.-Nr. C 40700). Die bis zum Spätsommer 1815 entstandenen Werke legte Grimm auf der Rückreise nach München Johann Wolfgang Goethe vor, der ihm Ratschläge erteilte. Auch Goethe hatte sich während der Arbeit an seinem Götz von Berlichingen intensiv mit dem Leben der Sinti und Roma auseinandergesetzt. So wurden beide Künstler in ihren jeweiligen Ausdrucksformen zu wichtigen Chronisten einer sonst im damaligen Hessen kaum dokumentierten Bevölkerungsgruppe. Michael Bouffier