Herman Grimm
Beschreibung
Seit April 1847 war Herman Grimm Student der Rechtswissenschaft. Zunächst in Berlin, wohin die Familie, dem Vater folgend, im Frühjahr 1841 übergesiedelt war. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) hatte Jacob und Wilhelm Grimm (1785-1863 bzw. 1786-1859) – Hermans Onkel und Vater – 1840 an die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften berufen, nachdem sie in Reaktion auf den Prostest der Göttinger Sieben (s. Inv.-Nr. 1.2.624) von der dortigen Universität entlassen und Jacob Grimm zudem des Landes verwiesen worden war. Herman Grimm sollte nur kurz in Berlin studieren. Mit dem Sommersemester 1848 wechselte er nach Bonn, doch hielten ihn dort die aktuellen politischen Ereignisse von der Fortsetzung des Studiums ab. Sein Onkel, Jacob Grimm, hielt sich seit März als Mitglieder der Nationalversammlung in Frankfurt am Main auf, wo ab dem 18. Mai 1848 die erste frei gewählte Volksvertretung in der Paulskirche tagte. Auch Herman Grimm zog dorthin. Dass das deutsche Volk ein Volk von Freien sei, deutscher Boden keine Knechtschaft dulde und fremde Unfreie, die auf ihm verweilen, frei mache, hatte Jacob Grimm als Vorschlag für den ersten Artikel der Grundrechte formuliert. Gleichwenn dieser Passus letztlich keinen Eingang in den 1848 verabschiedeten Grundrechtskatalog fand, wies sich Jacob Grimm mit ihm, wie bereits in Göttingen, durch eine vorwärtsgewandte, liberale Einstellung aus. Seinen Neffen Herman dürfte dies gewiss stolz gemacht haben. Das hier zu sehende Porträt entstand im Juli 1848 und zeigt ihn im Profil. Der Nacken ist lang, das Kinn leicht zur Brust gezogen; es ist eine aufrechte, bewusst eingenommene Haltung. Der Blick ist konzentriert, auf den Lippen liegt kein Lächeln, Frisur und Kleidung sind akkurat. Ist dieses Bildnis ein Spiegel seines Charakters oder zeigt es Herman Grimm im Spiegel der Eindrücke, die das historische Geschehen in Frankfurt am Main auf ihn gemacht hatte? Zwanzig Jahre war er damals alt. Ein Jahr später sollte sein Onkel Ludwig Emil Grimm den Bruder Hermans, den zu diesem Zeitpunkt neunzehnjährigen Rudolf Grimm (1830-1889), porträtieren (s. Inv.-Nr. 1.1.19). Vergleicht man beide Werke, möchte man meinen, dass Herman und Rudolf in ihrem Wesen zwei durchaus verschiedene Brüder gewesen sind. Doreen Paula