Friedrich Grimm der Ältere
Beschreibung
Streng und gewichtig blickt der Geistliche aus dem Bild. Seine rechte Hand hält er aufmerkend erhoben, mit der linken weist er auf das Jesuswort: „Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner […]“ (Johannes 15, 1-27). Es scheint als doziere er gerade unter Zuhilfenahme dieser lateinischen Bibelausgabe. Im Regal hinter ihm sind weitere Bücher zu erkennen, darüber hinaus aber bleibt der Raum unbestimmt. Es ist Friedrich Grimm der Ältere, den wir hier sehen: der Urgroßvater der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm (1785-1863 bzw. 1786-1859). 1672 war er in Hanau zur Welt gekommen. Sein Vater, Heinrich Grimm (1637-1713), hatte zwei Jahre zuvor Juliane Marie Pezenius (1653-1692) geheiratet, die aus einer Pfarrersfamilie stammte. Sowohl ihr Vater, Peter Pezenius (um 1619-1665), als auch ihr Großvater, Anton Pezenius (um 1546-1636), ist evangelisch-reformierter Pfarrer gewesen, und ebenso Friedrich Grimm der Ältere sollte diesen Weg gehen. Er studierte am Gymnasium illustre in Bremen von 1691 bis 1697 Theologie. Nach Abschluss des Studiums wurde er 1698 in Hanau dritter Pfarrer in der Marienkirche und wechselte im Jahre darauf nach Marienborn, wo er als Hofprediger und zugleich Pfarrer im Gerichtsbezirk Eckartshausen wirkte. 1701 kehrte er nach Hanau zurück. Auch heiratete er – nach dem Tod seiner ersten Frau – in diesem Jahr Kunigunde Juliane Hake (1676-1726), die Tochter des früheren Inspektors der reformierten Gemeinde in Hanau, Johannes Hake (1644-1701). Zurück in seiner Geburtsstadt übernahm er zunächst die Stelle des zweiten Pfarrers. 1706 wurde er zum ersten Pfarrer in der Marienkirche ernannt; an diese Funktion war zudem das Amt des Konsistorialrats und Inspektors der Grafschaft Hanau gebunden. Als 1741 das Porträt – gemalt von einem gewissen M. August –entstand, war Friedrich Grimm der Ältere 69 Jahre alt und seit gut vier Jahrzehnten als Pfarrer der evangelisch-reformierten Gemeinde in Hanau tätig. Bis zu seinem Tod sollte er das Amt bekleiden, und er sollte nicht der letzte Pfarrer in der Familie gewesen sein. Sein Sohn, Friedrich Grimm der Jüngere (1707-1777, s. Inv.-Nr. 1.1.4), war 1730 Pfarrer in der Katharinenkirche in Steinau geworden, und einer seiner Söhne, Karl Friedrich Grimm (1738-1772), setzte als vierter Prediger in Hanau die Tradition fort. Der Religion kam in der Familie Grimm eine große Bedeutung zu. Woran auch die Tatsache nichts änderte, dass der Vater Jacob und Wilhelm Grimms, Philipp Grimm (1751-1796, s. Inv.-Nr. 1.2.12), statt Theologie Jurisprudenz studierte. Ferner pflegte die Familie eine ausgeprägte Erinnerungskultur, was sich unter anderem darin niederschlug, dass Ludwig Emil Grimm (1790-1863), der Bruder Jacob und Wilhelms, das 1741 entstandene Porträt des Urgroßvaters in einer Radierung (s. Inv.-Nr. 1.2.29) reproduzieren sollte. Das Gemälde fand neben weiteren Familienporträts in der Bibliothek von Jacob und Wilhelm Grimm in Berlin seinen Platz. Dort befand es sich auch noch Ende des 19. Jahrhunderts, als Herman Grimm (1828-1901), der Sohn Wilhelms und Neffe Jacobs, das Bild als das wichtigste unter den Ahnenbildern betonte: „Der Urgroßvater Jacob und Wilhelm’s ragt als der Bedeutendste darunter hervor […] Wohin dieses Bildniß in Zukunft auch einmal gelangen mag: wer es ansieht, wird ehrfurchtsvoll den Mann betrachten, der mit erhobener Hand und aufgestrecktem Zeigefinder die Stelle der Bibel zu erklären scheint, auf deren aufgeschlagenes Blatt die Linke hinweist. Johannes XV, 5: ‚Ich bin der Weinstock[, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.]‘“ (Herman Grimm: Die Brüder Grimm und die Kinder- und Hausmärchen, in: Beiträge zur deutschen Culturgeschichte, hrsg. v. Herman Grimm, Berlin 1897, S. 214-247, hier S. 221). Doreen Paula