Bildnis eines Mädchens ("Mulatten")

Beschreibung

Ludwig Emil Grimm unterbrach 1814 seine Ausbildung an der Münchner Kunstakademie, um sich unter Kurprinz Wilhelm den hessischen Truppen im Frankreichfeldzug der Befreiungskriege anzuschließen. Vor und nach diesem Einsatz widmete er sich in Kassel, wo seit 1805 seine Familie wieder vereint lebte, intensiv dem Zeichnen. In zahlreichen Porträts dieser Zeit strebte er eine realistische Darstellung von Gesichtszügen an und verzichtete gleichzeitig auf sinnbildliches Beiwerk – so wie es rund vierzig Jahre zuvor Johann Georg Sulzer in seiner "Allgemeinen Theorie der Schönen Künste" gefordert hatte und es sich um 1800 endgültig durchsetzte. Auch das vorliegende Porträt folgt diesem Ansatz und stellt die Persönlichkeit des kleinen Mädchens auf natürliche, unmittelbare Weise dar. Bemerkenswert ist Ludwig Emil Grimms aufrichtiges Interesse am ‚Fremden‘ ohne jede exotisierende Verklärung. Zu seiner Zeit lebten in Kassel mehrere Menschen afrikanischer Herkunft, die ursprünglich als Hofbedienstete in die Stadt gekommen waren. Sie hatten sich integriert und waren Beziehungen mit Einheimischen eingegangen. Der auf der Druckplatte vermerkte Titel verweist auf einen Nachkommen aus einer solchen Verbindung. Der verwendete Begriff gilt heute unter anderem aufgrund seiner umstrittenen Herkunft – möglicherweise vom spanischen "mulo" (Maultier) abgeleitet – als beleidigend. Bezeichnenderweise erscheint er nicht im "Deutschen Wörterbuch" der Brüder Grimm. Michael Bouffier

Material & Technik
Radierung
Abmessung & Dimension
5,5 x 5,0 cm (Platte); 24,0 x 34,5 cm (Blatt)