Jakob Ludwig Schlemmer
Beschreibung
Das Bildnis Jakob Ludwig Schlemmers entstand als Pendant zum Porträt seiner Frau, Juliane Charlotte Frederike Schlemmer, geb. Grimm (1735-1796), die er 1771, im Jahr der Entstehung des Gemäldes, geheiratet hatte. Folglich nehmen die beiden Bilder auch Bezug aufeinander: Sie verbindet die Prägnanz der Farbe Rot und nicht weniger die Haltung, in der sich das Ehepaar porträtieren ließen, deutlich kommt ihr Anspruch auf Gelehrsamkeit zum Tragen. So ist Juliane Schlemmer, ebenso wie ihr Mann, an einem Tisch platziert (s. Inv.-Nr. 1.1.1). Auf ihm liegt ein Buch und in ihrer Hand hält sie geflissentlich eine kurzstielige Nelke, die ihr vermutlich zum Verfolgen der Zeilen sowie als Lesezeichen diente. Auch ihr Mann hält ein aufgeschlagenes Buch vor sich. Weitere Bücher befinden sich auf dem Tisch. Ein Exemplar ist mit „Gellerts Gedichte“ beschriftet, was gewiss den 1770 erschienenen Band „Vermischte Gedichte“ von Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) meint. Und auf dem Rücken eines der Bücher im Wandregal ist der Titel „Corpus iuris civilis“ zu erkennen, der wohl die spätantike Gesetzessammlung aus der Zeit Kaiser Justinians (um 482-565 n. Chr.) benennt. Das Regal im Hintergrund ist dicht an dicht bestückt. Ohne Umstände kann dies als Verweis auf einen noch weit umfänglicheren Bücherbestand gesehen werden, denn eine fortwährend aktualisierte, teuer und einheitlich gebundene Büchersammlung zu besitzen, war im 18. Jahrhundert ein probates Zeichen von Distinguiertheit. Der Rang, den Büchersammlungen damals einnahmen, wird in den Worten Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) deutlich, mit denen er rückblickend den Einzug in das frisch umgebaute Elternhaus beschreibt: „Das erste, was man in Ordnung brachte, war die Büchersammlung des Vaters, von welcher die besten, in Franz- oder Halbfranzband gebundenen Bücher die Wände seines Arbeits- und Studierzimmers schmücken sollten. Er besaß die schönen holländischen Ausgaben der lateinischen Schriftsteller, welche er der äußern Übereinstimmung wegen sämtlich in Quart anzuschaffen suchte; sodann vieles, was sich auf die römischen Antiquitäten und die elegantere Jurisprudenz bezieht. Die vorzüglichsten italienischen Dichter fehlten nicht, und für den Tasso bezeigte er eine große Vorliebe. […]“ (Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, zit. nach Goethes Werke, hrsg. v. Erich Trunz, Bd. IX, S. 27). Im Gegensatz zu Goethe und dessen Vater ist über Jakob Schlemmer kaum etwas bekannt. Er war Kloster-Rentmeister (Finanzverwalter) in Schlüchtern, später in Hanau gräflicher Kammerschreiber; darüber hinaus lassen ihn sein roter Rock, die Zopfperücke, die goldene, mit Blüten bestickte Weste, aus der ein Spitzenjabot schaut, zudem die vor kurzem noch benutzten, auf dem Tisch liegenden Utensilien sowie seine gehobene Haltung als einen selbst- wie standesbewussten Menschen erscheinen. Doreen Paula