Charlotte Amalie Hassenpflug, geb. Grimm

Beschreibung

„Also ein größeres Bild von der Lotte haben Sie angefangen?“, fragte Amalie Heereman von Zuydtwyk (1809-1853) Ludwig Grimm Anfang Dezember 1833. „Daß mach recht schwer sein. Ihr gutes Gesicht hatte solch eigentümlich angenehmen Ausdruck, und vorzüglich die Stirn, Augbrauen und Augen, alle von eigentümlichen Bau, sind wohl am schwersten herauszubringen; auch lag solch eine milde Ruhe in ihrem Gesicht und Freundlichkeit, sodaß man ihr Gesicht um so lieber hatte, je mehr man es kannte“ (Amalie von Zuydtwyk an Ludwig Emil Grimm, 5.12.1833; zit. nach Lippe 1938, S. 165). Charlotte Hassenpflug, geb. Grimm, war Mitte Juni 1833 gestorben. Und gut einen Monat später hatte ihr Bruder, Ludwig Grimm, von Trauer erfüllt an Amalie Heereman von Zuydtwyk geschrieben: „Meine erste Arbeit soll das Bild der Allerbesten seeligen Lotte seyn so gut ichs im Stande bin herauszubringen, aber ihr Geist, Leben, Ausdruck, wie es in ihrem Guten Gesicht war, ist nicht mehr zu erlangen“ (Ludwig Grimm an Amalie Heereman von Zuydtwyk, 25.7.1833, zit. nach Ludwig Emil Grimm. Briefe, hrsg. v. Egbert Koolman, 2 Bde., Marburg 1985, Bd. 1, S. 186). In der Literatur werden die zitierten Briefpassagen mit dem hier in Rede stehenden Porträt Charlotte Hassenpflugs in Verbindung gebracht. Das Bild zeigt sie lesend an einem nicht sichtbaren Fenster. Dass das Werk nach ihrem Tod entstanden sei, ist gleichfalls auf einem rückseitig aufgebrachten Klebezettel vermerkt, auf dem es heißt: „gemalt v. ihrem Bruder L E Grimm 1833, nach ihrem Tode“. Anders als von Amalie Heereman von Zuydtwyk bemerkt, ist das hier zu sehende Porträt Charlotte Hassenpflugs allerdings eine Arbeit kleinen Formats. Grimm hat die Schwester – vergleichbar weiteren Porträts – in in-sich-gekehrter Haltung gemalt, aber sie ist nicht allein. Der um einen Knauf gelegte Vorhang eröffnet den Blick auf drei, in der Fensterlaibung platzierte Zeichnungen; ein viertes Werk hängt an der Wand hinter Charlotte Hassenpflug. Es sind Bilder im Bild, die einen Bezug zur Familie haben; drei davon kehren in einer anderen, etwa zeitgleich entstandenen Zeichnung Grimms wieder (Historisches Museum Hanau Schloss Philippsruhe, Inv.-Nr. B 6477). Bei dem Gemälde im Hintergrund handelt es sich um das Doppelbildnis der ältesten Söhne Charlotte Hassenpflugs – Karl (1824-1890) und Friedrich (1827-1892) –, das Ludwig Grimm im Jahr zuvor, am 10. März 1832, also anlässlich des 39. Geburtstags der Schwester, gemalt hatte (s. Koszinowski/Leuschner 1990, Bd. 1., S. 390f, Nr. Ö 19). Auch die oben in der Fensterlaibung hängende Zeichnung ist eine Arbeit Grimms, sie ist signiert und datiert 1830. Dargestellt sind zwei etwa gleichalte, eng aneinander gekuschelte Kinder, vermutlich Mädchen, umrankt von einem Kranz, vielleicht aus Lorbeer. Auf der unteren, kleinen farbigen Arbeit ist ein Säugling in den Armen eines älteren, aber noch kleinen Kindes zu sehen; auf dem Rahmen liegt ein Zweig, der blaue und rote Blüten treibt – die blauen bereits geöffnet, die roten noch geschlossen. Wer die jeweils dargestellten Kinder sind, ist nicht bekannt. Da es sich wohl aber um Familienbilder handelt, könnten sie die weiteren Kinder Charlotte Hassenpflugs meinen. Insgesamt sechs Kinder hatte sie zur Welt gebracht. Neben den bereits genannten Söhnen, Karl und Friedrich, die Töchter Agnes (1825-1829) und Bertha (1829-1830) – auf sie dürfte sich die Zeichnung von 1830, oben in der Fensterlaibung, beziehen –, des Weiteren den Sohn Ludwig (1831-1878) und die Tochter Dorothea (1833-1898), die in dem farbigen Bild unten zu vermuten wären, der auf dem Rahmen des Bildes liegende Zweig könnte mit der Farbigkeit seiner Blüten die Geschlechter der Kinder bezeichnen. Dorothea war im Mai 1833 auf die Welt gekommen, Charlotte Hassenpflug drei Wochen später gestorben. Doreen Paula

Material & Technik
Öl auf Leinwand
Abmessung & Dimension
34,5 x 28,0 cm (ungerahmt)