Büßende Magdalena

Beschreibung

Die Inschrift auf der oberen Rahmenleiste verweist auf eine frühere Zuschreibung des Gemäldes an einen Nachfolger von Annibale Carracci, was sich primär auf die Malweise beziehen dürfte. Motivisch orientiert sich die Darstellung jedoch stärker an Tizians büßender Magdalena. Dieses Thema wurde mehrfach von Tizian und seiner Werkstatt wiederholt; als eine der besten Versionen gilt jene in St. Petersburg (Eremitage, Inv.-Nr. GE-117). Die hier vorliegende Fassung knüpft an die von Tizian geprägte Ikonografie an, variiert sie jedoch in der Körperhaltung. Die Heilige ist vor einem dunklen Felsen sitzend dargestellt, ihr Blick richtet sich nach rechts oben, der Kopf ist im Halbprofil wiedergegeben. Ihr Körper, diagonal nach links gewandt, ist mit einem weit ausgeschnittenen, weißen Untergewand bekleidet, das die Brust teilweise entblößt. Ein hellbraunes Tuch bedeckt ihre Schultern, während ein gestreifter Umhang ihren Schoß verhüllt. Ihr langes, blondes Haar fällt in offenen Locken herab; mit der rechten Hand hält sie einige Strähnen, um die entblößte Brust zu bedecken, während ihre linke Hand auf dem Knie ruht. In ihren Augen schimmern Tränen, die den Ausdruck tiefer Reue und spirituellen Schmerzes unterstreichen. Neben ihrem Kopf ist ein Totenschädel als Memento mori zu erkennen, Sinnbild der Vergänglichkeit des Lebens. Links im Vordergrund liegt ein aufgeschlagenes Buch, das als Zeichen der Reflexion und inneren Einkehr gedeutet werden kann. Der Hintergrund öffnet sich zu einer weiten, bergigen Landschaft, die in starkem Kontrast zur Dunkelheit des Vordergrunds steht und eine metaphorische Dimension der spirituellen Reise Magdalenas eröffnet. Das Gemälde verbindet religiöse Buße mit einer sinnlichen Komponente. Die halb entblößte Brust und das offene Haar verleihen der Darstellung eine subtil erotische Note. Im Vergleich zu früheren Fassungen Tizians ist diese etwas zurückgenommen. Die Ambivalenz zwischen spiritueller Reue und körperlichen Reizen bleibt jedoch präsent. Im Spannungsfeld von Schaulust und moralischer Botschaft, fand diese Darstellung sowohl in kirchlichen wie in höfischen Kreisen ihr Publikum. Das Gemälde stammt aus der Sammlung des englischen Kaufmanns Edward Solly (1776–1844), die 1821 von der preußischen Krone erworben wurde. Ursprünglich im Berliner Schloss aufbewahrt, gelangte es später nach Bad Homburg, wo das Werk heute im Toilettezimmer Ihrer Majestät der Kaiserlichen Appartements präsentiert wird.

Material & Technik
Öl auf Leinwand
Abmessung & Dimension
120,0 x 92,0 cm (Ungerahmt)