Heilige Elisabeth von Thüringen mit einem Kind
Beschreibung
Die heilige Elisabeth von Thüringen (1207-1231) ist als überlebensgroße Sandsteinfigur mit einem vor ihr knienden Kind dargestellt. Das Kind blickt zu ihr auf und hat die Hände flehend vor der Brust gefaltet. Ein einfaches Gewand bedeckt den Körper des ansonsten unbekleideten Knaben nur bis zur Mitte der Oberschenkel, was auf die Armut des Kindes hinweist. Sein Flehen trifft auf die Heilige, die seinen Blick mit einem sanften Lächeln erwidert. Auf dem Kopf trägt Elisabeth, geborene Prinzessin von Ungarn und durch Heirat Landgräfin von Thüringen, eine Krone mit Kreuz. Die rechte Hand ist leicht erhoben, fast zu einer segnenden Geste, die andere rafft ihr faltenreiches, mit Rosen übersätes Gewand. Die Szene zeigt das Rosenwunder: Trotz des Verbots ihres Mannes hat Elisabeth heimlich Brot an die Armen verteilt. Als er sie zur Rede stellte und ihren Korb kontrollierte, verwandelten sich die Brote darin auf wundersame Weise in Rosen, sodass er von ihrem Tun beeindruckt war und ihr Wirken für die Armen akzeptierte. Elisabeth von Thüringen zeichnete sich durch ihre Wohltätigkeit und ihren Einsatz für die Armen aus. Sie verkörperte die Ideale der aufkommenden Armutsbewegung in Europa, die die Nachfolge Christi durch Armut und Dienst an den Bedürftigen betonte. Eng verbunden mit der franziskanischen Bewegung wurde Elisabeth in diesem Kontext zu einer Schlüsselfigur und wird als Heilige und Patronin der Nächstenliebe und der Kranken verehrt, insbesondere in Hessen, der Region ihres Wirkens. Die Figur entstand im Zuge der von Landgräfin Elizabeth von Hessen-Homburg (1770-1840) veranlassten Neugestaltung des Königsflügels von Schloss Bad Homburg durch den Architekten Georg Moller in den 1830er Jahren. Die Skulptur fand in der Nische am oberen Ende des Treppenaufgangs Aufstellung. Als Pendant wurde eine zweite Figur beauftragt: eine Hoffnungsallegorie (Inv.-Nr. 3.2.3), die an der Nordwand des Vestibüls aufgestellt wurde. Diese Skulpturen gehören zu den ersten Arbeiten des damals 17-jährigen, aus Mainz stammenden Bildhauers Johann Baptist Scholl d. J. (1818-1881), der an der Münchner Akademie studierte. Sein gleichnamiger Vater, der bereits seit 1817 Hofbildhauer am Hof des Großherzogs Ludwigs I. von Hessen-Darmstadt war und dort mit Moller zusammengearbeitet hatte, war für die Ausschmückung des Homburger Schlosses mit mehreren Aufträgen bedacht worden. Sein Sohn unterbrach sein Studium und unterstützte ihn durch die Ausführung der beiden Figuren. In einem Brief an Moller bedankte sich Johann Baptist Scholl für den Auftrag und erörterte die technischen Schwierigkeiten, die er mit Ludwig Schwanthaler, dem Hauptmeister der klassizistischen Bildhauerei, besprochen hatte (Archiv der Merck KGaA, Darmstadt, Signatur A-34-Nr.59). Beide Skulpturen wurden 1835 für 2310 Gulden erworben (Kastellan Schasse, Baugeschichte des Königlichen Schlosses zu Homburg v.d.H., Manuskript 1903-1910, S. 6, Inv.-Nr. 6.1.572). Dass Landgräfin Elizabeth sich für die hessische Landespatronin interessierte und mit ihr identifizieren konnte, ist naheliegend. Beide tragen den Namen Elisabeth, waren Königstöchter, die es durch Heirat mit einem Landgrafen in die Ferne verschlug und waren relativ früh verwitwet. Die aufopferungsvolle Armenfürsorge der Heiligen mag Elizabeth imponiert und sie zur Wohltätigkeit inspiriert haben. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Rosenwunder zur gängigen Darstellung der Heiligen und ihr Attribut die Rose. Die Brüder Franz und Johannes Riepenhausen schufen 1822 in Rom für den Herzog von Cambridge eine Darstellung des Rosenwunders in Öl (Museum Georg Schäfer Schweinfurt, MGS 4227), die Elizabeth bei einem Besuch in Hannover gesehen und die den Anstoß zu den Homburger Skulpturen gegeben haben könnte. Beide Skulpturen wurden 1908 im Zuge weiterer Umbaumaßnahmen in die gartenseitige Vorhalle des Vestibüls versetzt.