Aus Gossfelden bei Marburg in Kur-Hessen
Beschreibung
Ludwig Emil Grimm brachte dem Leben der einfachen, insbesondere ländlichen Bevölkerung, deren kulturellen Verwobenheit mit ihrer Region sowie mit der Natur, generell große Wertschätzung entgegen. Dabei steht in seinen Arbeiten mal der Mensch im Vordergrund, ein andermal scheint der Mensch angesichts der Allgewalt und Erhabenheit der Natur nur mehr Staffage zu sein. Es ist stets ein romantisch geprägter Blick: In ihm spiegelt sich die Suche nach Ursprünglichkeit, nach dem Einssein mit sich als Individuum oder einem Dasein im Einklang mit einer von Gott durchwirkten Natur. Und so zeigen Ludwig Emil Grimms Bilder Momente auf, in denen sich für ihn als Außenstehenden wesenhafte Schönheit offenbarte, sowohl in der Begegnung mit der Natur, mit Menschen als auch in deren gewöhnlichem Leben. Das hier zu sehende Blatt ist ein Beispiel für diesen Blick. Drei junge Frauen in hügeliger Landschaft mit Wiesen und lockerem Baumbewuchs. In der Ferne ist eine Burg zu erkennen. Im Vordergrund gedeihen Kräuter, doch interessieren sich die drei Frauen nicht für sie. Sie tragen die Tracht des hessischen Hinterlands und sind damit nur zu Besuch in Goßfelden, wo Ludwig Emil Grimm sie 1829 ‚nach dem Leben‘ gezeichnet hat. Ob die Frauen gemeinsam unterwegs waren oder die zwei stehenden die rastende zufällig trafen, dürfte nebensächlich sein. Was Ludwig Emil Grimm vielmehr schildert, ist der Anlass, der die Frauen aus dem hessischen Hinterland nach Goßfelden führte. Beredete Hinweise gibt hierfür die junge Frau links, und zwar in der Art, wie sie mit der Person vor dem Bild interagiert. In ihrer Haltung und Mimik spricht sich eine deutliche Ambiguität aus. Die Füße sind in Richtung des Betrachters, der Betrachterin gerichtet, der Oberkörper dagegen ist weggedreht, dazu die Arme vor dem Bauch verschränkt. Der Blick ist zugewandt und zugleich scheu, was insgesamt suggeriert, dass der jungen Frau die Person, der ihre Aufmerksamkeit gilt, nicht egal war. Wofür auch die Hand der Freundin spricht, die haltgebend auf der Schulter der jungen Frau liegt. Und so ist anzunehmen, dass Ludwig Emil Grimm hier eine sich anbahnende Liebe ins Bild bringen wollte, mit all dem Hoffen und Bangen, dem Glück und der Unsicherheit. Weitere Bilder, die dieser Gruppe zugeordnet werden können, sind Inv.-Nr. 1.2.233, 1.2.242, 1.2.243, 1.2.275, 1.2.282, 1.2.283, 1.2.287, 1.2.292, 1.2.293, 1.2.297, 1.2.298, 1.2.299, 1.2.446, 1.2.447, 1.2.448, 1.2.449, 1.2.450, 1.2.451, 1.2.465, 1.2.643. Doreen Paula