Juliane Charlotte Frederike Schlemmer, geb. Grimm
Beschreibung
In betont aufrechter Haltung sitzt Juliane Charlotte Frederike Schlemmer, geb. Grimm auf einem gepolsterten, roten Stuhl vor einem Tisch, über den eine rote Decke ausgebreitet ist. Auf dem Tisch steht eine Vase mit einem Zweig, der rote Früchte trägt, und auch das Kleid sowie das schräg über das Dekolletee laufende Band und die Schleife um den Hals sind in Rottönen gemalt. Rottöne dominieren dieses Bild. Allein der Hintergrund, das Inkarnat, die Haare und der Mantel setzen sich davon ab. Letzteren kennzeichnet ein tiefes, samtiges Blau mit Hermelinbesatz, was den Ausdruck von Stolz, der Juliane Schlemmer eigen ist, noch steigert. Ihr Blick ist direkt. Das Haar gepudert und mit einer Brosche geschmückt. Auf dem Tisch liegt ein Buch. Sie fixiert die geöffneten Seiten und hält in der anderen Hand pointiert eine Nelkenblüte mit kurzem, spitz zulaufenden Stiel. Einige Worte sind lesbar. „XXI. Brief / Mein allerwerthester […] braunen Augen […] Jenseits das Grab, […] Glück […] und dieseits […]“: Es könnte eine Anspielung auf einen Briefroman sein. Als das Bild entstand, war Juliane Schlemmer 36 Jahre alt. Wahrscheinlich wurde es anlässlich ihrer Hochzeit gemalt. 1771 hatte sie Jakob Ludwig Schlemmer (gest. 1785) geheiratet, dessen Porträt (s. Inv.-Nr. 1.1.6) als Pendant zu ihrem Bildnis im selben Jahr entstand. Der Künstler ist unbekannt, lediglich seine Initialen, „J. G. R.“, sind überliefert. Die Ehe blieb kinderlos, und wohl deshalb kümmerte sich Juliane Schlemmer umso mehr um ihre Neffen. „Bei der Tante Schlemmern“, sollte sich Jacob Grimm (1785-1863) an sie erinnern, „war ich täglich und mehr als bei den Eltern fast und hing damals mehr an ihr, wie an Vater und Mutter […].“ Und liest man weiter, so scheint in seinen weiteren Worten deren Porträt geradezu lebendig werden: „Die Tante hatte mich sehr lieb und lehrte mich lesen und Religion. […] [Sie] hatte sich aus einer alten Vogte [d. i. einem Fächer], einen elfenbeinenen Deuter gemacht, der nach der Lection zum Zeichen ins Buch gelegt wurde. Meistentheils aber nahm sie eine Stecknadel um feiner zu deuten zur Hülfe, woher es kam daß alle Buchstaben mehr oder weniger zuletzt zerstochen wurden.“ (Jacob Grimm, zit. nach 200 Jahre Brüder Grimm. Dokumente ihres Lebens und Wirkens, hrsg. v. Dieter Hennig / Bernhard Lauer, Kassel 1985, S. 142f). Doreen Paula