Sprengstoff aus Heringen


Nach Ausbruch des I. Weltkriegs im Sommer 1914, waren seine Auswirkungen schnell auch im Werratal zu spüren. Sie betrafen nicht nur die Einberufungen zur Front und die bald schlechter werdende Versorgungslage. Auch die Kaliindustrie war betroffen. Neben anderen Problemen war sehr bald die Versorgung mit dem für den Abbau notwendigen Sprengstoff nicht mehr ausreichend gewährleistet. Deshalb suchte das Kaliwerk Wintershall nach Alternativen. Eine bestand darin, eine eigene Sprengstofffabrik zu errichten.

In ihr sollten nicht die bis dahin üblichen Sprengstoffe wie Sprengsalpeter oder Dynamit hergestellt werden, die für die Kriegsführung benötigt wurden. Vielmehr war die Produktion eines Sprengstoffes vorgesehen, der für militärischer Zwecke nicht verwendungsfähig war, im Bergwerk aber, trotz Abstrichen gegenüber den Standardsprengstoffen, einsetzbar war.

Dabei handelte es sich um einen Sprengstoff namens "Petrolit", auch bekannt unter dem Namen "Miedziankit". Zu seiner Herstellung werden Kaliumchlorat als Sauerstoffträger und Petroleum als Kohlenstoffträger benötigt. Durch das Tränken des Kaliumchlorats mit Petroleum (etwa 10%) entsteht ein explosionsfähiger Sprengstoff.

Er sollte in einer am Schacht Heringen errichteten Anlage hergestellt werden. Darüber gibt eine Bauakte Auskunft, die sich im Bestand des Werra-Kalibergbau-Museums befindet.

Vorgesehen waren der Bau eines Kaliumchlorat-Lagers, einer Mühle zum Mahlen des Kaliumchlorats und zur Befüllung der Papierhülsen und eines Tränkgebäudes, in dem die Patronen in Petroleum getränkt werden sollten.

Zur Sicherung der Umgebung vor den Auswirkungen einer Explosion sollten alle Gebäude vom einem 3,70 m hohen Erdwall umgeben sein. Es war vorgesehen die Gebäude auf drei Seiten aus Backsteinmauerwerk zu erbauen. Die vierte Seite und das Dach sollten in Leichtbauweise erstellt werden, "sodass bei einer etwaigen Explosion die drei massiven Umfassungsmauern stehen bleiben und das leichte Pappdach sowie die Fenster herausgedrückt werden."
Als Produktionsmenge waren pro Tag 1.500 kg oder 5.000 Patronen zu je 300 g "Petrolit" vorgesehen betragen, wofür zwischen drei und sechs Mann Belegschaft benötigt wurden.

Obwohl wie die vorhandene Akte ausweist, dass der Gewerkschaft Wintershall der Bau der Anlage genehmigt worden war, wurde sie wahrscheinlich nie gebaut, da sich Wintershall bald darauf für ein anderes Sprengverfahren, das "Schiessen mit flüssiger Luft" entschieden hat.

Lageplan Sprengstofffabrik